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Zur Entstehung und Entwicklung der Singwochenarbeit in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg

07. Mai 2015

Mit der Wandervogelbewegung nach dem 1. Weltkrieg entstanden die ersten Singwochen unter Fritz Jöde, Walter Hensel und anderen. Bald danach entstanden die kirchlichen Singwochen vor allem mit Alfred Stier. Diese Entwicklungen stagnierten während des Dritten Reiches. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges gab es ab 1946 einen starken Auftrieb der kirchlichen Singwochen und kirchlichen Singens überhaupt mit der liturgischen Bewegung.

volker ochs

Man suchte und fand im gemeinsamen Singen und Leben, eine Woche lang gelöst vom Alltag, Entspannung und Gemeinschaft. Der Dresdener „Urkantor“ Alfried Stier war als Landessingwart in Sachsen-Anhalt darin führend und beispielgebend. Während meines Studiums der Kirchenmusik in Halle begegnete ich ihm 1949, als ich für die Singwochenarbeit Hilfe suchte. Das war die Geburtsstunde der Singwochenarbeit in der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg. Der Beschluss der Synode der Kirche, die Stelle eines hauptamtlichen Landessingwartes einzurichten, schuf die Voraussetzung, das Angebot an Singwochen zu erhöhen. 1956 wurde ich in dieses Amt berufen. Schon die ersten Singwochen waren so gefragt, dass das Angebot von Jahr zu Jahr weiter erhöht wurde. Es waren schließlich sieben Singwochen jährlich in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg. Dabei entwickelte sich eine Differenzierung in Jugendsingwochen, in Familien-, Kinder-, Chor- und Orchesterwochen und Seniorensingwochen. Sie alle waren fast immer ausgebucht. Was suchten die Teilnehmer und was erwartete sie: Die Lösung vom Alltag und körperliche Lösung, gemeinsames Leben in einem Heim mit dem ganzen Tagesablauf vom Schlafen, mit musikalischem Wecken am Morgen, gemeinsame Mahlzeiten, Atemgymnastik, Stimmbildung und Singen vor- und nachmittags, Geselligkeit abends mit Spielen, Hausmusizieren, Lesen und Tanzen. Den Rahmen für den Tag bildete das liturgische Morgen- und Abendgebet. Literaturmäßig ergab sich durch die unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Teilnehmern eine große Bandbreite. Grundlage allerdings war und ist das Lied und das einstimmige Singen. Aber es gab auch anspruchsvolle Wochen mit großer Musik. So ging es von der Erarbeitung einfacher Chorliteratur bis zu großen Werken, auch mit Orchester, Kantaten und Oratorien alter und neuer Meister einschließlich von Uraufführungen. Im Jugendheim Hirschluch bei Storkow fanden oft die Aufführungen von großen Werken statt. Die Orchesterwochen mit kleinen und großen Besetzungen hatten ihre Heimstatt im Seminar für kirchlichen Dienst in Dahme. Die erarbeiteten Programme führten in der Regel zu Abschlussmusiken und Konzerten in den Kirchen der entsprechenden Gemeinden. Es war immer wieder erstaunlich, welche musikalischen und technischen Fähigkeiten sich in solcher Gemeinschaft entwickelten. Das macht deutlich, wie wichtig und richtig es ist, in einer menschlich und geistlich geführten, gelösten Gemeinschaft zu leben und zu handeln. Das gemeinsame Singen löst und ist ein idealer kommunikativer Träger des Lebens. Das können Tausende von Teilnehmern immer wieder bezeugen. Wie gut, dass diese Arbeit, nachdem ich 1994 in Rente ging, von Lothar Kirchbaum ungebrochen weiter geführt wird.

Volker Ochs